AM ENDE EIN BLICK AUF DEN ANFANG, DAS DAZWISCHEN UND DAS WAS IST
Reflexion zum Projekt Empowerment
Von Lisa Lampl
Der Versuch, die in dem mehr als zweijährigen Forschungsprojekt „Praktiken des Empowerment in Kunst und Sozialwissenschaften“ erlebten Erfahrungen in einem kurzen Text zusammenzufassen, führt unweigerlich zur Reduktion von komplexen Sachverhalten. Dennoch möchte ich die drei Bereiche Themenstellung, Eingliederung einer Lehrveranstaltung in ein Forschungsprojekt und Evaluation von Wirkung künstlerischer Arbeiten eingehen und hoffe, dass ich damit einen Beitrag zur Arbeitsweise zukünftiger Forschungsprojekte und Kooperationen leisten kann. Die studentische Teilnahme am Forschungsprojekt erfolgte im Rahmen einer Lehrveranstaltung von Elizabeth McGlynn, einer Künstlerin, die in einer Doppelrolle als Künstlerin und Leiterin einer Lehrveranstaltung am Forschungs – projekt mitwirkte. Unter dem Thema „Kunst beobachtet Sozialwissenschaften“ stieg ich mit einsemestriger Verspätung in die Lehrveranstaltung ein. Die Entscheidung für die Teilnahme am Projekt fiel mir nicht schwer, da das Projekt für mich die Möglichkeit bot, mich mit gesellschaftlichen Verhältnissen und feldinternen Dynamiken zu befassen, sowie darüber hinaus nach neuen künstlerischen Darstellungsweisen von gesellschaftlichen und politischen Inhalten zu suchen. Damit verbunden war der Wunsch, mit dem Begriff der „künstlerischen Forschung“ zu arbeiten, ein Begriff, der zu diesem Zeitpunkt im Kunstfeld viel diskutiert war. Aufgrund der Kooperation und engen Zusammenarbeit mit Sozialwissenschafter_innen im Rahmen der Studie „Walqing“ erhoffte ich mir, durch die Teilnahme an dem Forschungs-projekt mehr Klarheit über diesen Terminus zu erlangen. Die Aufgabenstellung, die Arbeitsweise der Sozialwissenschaft zu beobachten, konnte von mir durch die Ausrichtung der Strukturen des Forschungsprojekt leider nicht erfüllt werden. Mehrmals habe ich mich darum bemüht, bei den Interviewsituationen anwesend sein zu dürfen, das Interviewmaterial zu sichten, oder auch die Bearbeitung dessen mitverfolgen zu können. Meine Anläufe jedoch blieben erfolglos, da die Studie „Walqing“ für das Forschungsprojekt nur bedingt zugänglich und nicht direkt in das Projekt eingebunden war. Vielmehr verlief es parallel und Bedenken darüber, dass Klienten, die Forba für die Mitarbeit bei der Studie überzeugen konnte, abspringen könnten, oder dass die Respektierung sozialwissenschaftlicher Richtlinien wie der Anonymisierung und das Datenschutz nicht gewährleistet würden, wurden geäußert. Einzig das Recherchematerial, Fragebogen und Endergebnisse der Studie wurden mir zur Verfügung gestellt, wie diese selbst aber entstanden sind, blieb im Verborgenen. Eine Betrachtung der Arbeitsweise der Sozialwissenschaften ist und war unter diesen Umständen nur unzureichend möglich und der Auftrag „Kunst beobachtet Sozialwissenschaften“ konnte nur bedingt erfüllt werden. Welche Auswirkungen diese (Fehl)konstruktion auf die Erreichung eines der Hauptziele des Forschungsprojekts hat, ist von den Projektanstragsteller_innen zu ermitteln. Die Idee, ein Forschungsprojekt um eine Lehrveranstaltung zu erweitern, ist zu begrüßen, und hätte unter anderen Rahmenbedingungen eine breitere Erkenntnis über die Arbeitsweise der Sozialwissenschaften seitens des Kunstfeldes ermöglicht und Prozesse der Auseinandersetzung mit künstlerischer Forschung angeleitet. Während des Projekts verabredeten sich die Studierenden regelmäßig und einige Treffen fanden auch mit Ursula Holtgrewe, einer Sozialwissenschafterin, die im Forschungsprojekt sowie bei „Walqing“ mitarbeitete, statt. Den Rest des Forschungsteams lernten wir erst
relativ spät bei den Vorbereitungen zur Ausstellung kennen und dort erfuhren wir dann, wer mit wem, wie und worüber gearbeitet hatte. Durch den geringen Austausch während des Forschungsprojekts erhielten wir erst ab diesem Zeitpunkt Informationen über Projektinhalte, Zusammenhänge und Beziehungen der im Forschungsprojekt Tätigen. Auch wenn ein Randgruppendasein für die Studierenden zeitliche Vorteile und ein geringes Übernehmen von Verantwortung bedeutet, hätte eine regelmäßige, punktuelle Einbindung der Studierenden im Projekt stattfinden sollen. Aus einer engeren Involviertheit hätten sich sicherlich weitere interessante, zu bearbeitende Themen ergeben und es hätte zu einem stärkeren Bewusstsein für konzeptuelle Probleme bei der Projektdurchführung geführt. Die von mir wiederholt geäußerte Kritik darüber, Sozialwissenschaft nicht wirklich beobachten zu können, hätte so eventuell breiter diskutiert und möglicherweise zu einer Abänderung der Vorgehensweise, sowie insgesamt zu reichhaltigeren Ergebnissen für das Forschungsprojekt geführt. Bereits während der Diskussionsveranstaltungen der Ausstellung und auch bei der Nachbesprechung, zu der auch Studierende eingeladen wurden, wurden die Fragen nach dem Empowerment und dem Erfassen der Wirkung von Kunst gestellt. Wie bereits erwähnt, fühlte ich mich seitens der Sozialwissenschaften in meinem Vorhaben blockiert und der Eindruck, dass die Sozialwissenschaften sich lieber von der Kunst etwas abschauen wollten, als von sich selbst etwas preiszugeben, wurde für mich in einer Äußerung als „geheimes Ziel“ bestätigt. Dennoch soll hier darauf hingewiesen werden, dass das umfangreiche Material, das von den Sozialwissenschafter_ innen zur Verfügung gestellt wurde, meine Recherchearbeit wesentlich erleichterte und verkürzte. Das ermöglichte mir, mich auf die Suche nach einer Kooperationsfirma und an meinem Projekt interessierten Personen aus dem Reinigungssektor zu konzentrieren. Durch die intensive Beschäftigung mit einem bestimmten Thema konnte ich mich in meiner künstlerischen Arbeit weiterentwickeln und fühlte mich mit meinem Beitrag durch die namentliche Nennung auf den Ausstellungsankündigungen wertgeschätzt (Vielen Dank Elizabeth, danke an das Forschungsteam). Die im Forschungsprojekt erlebte Schieflage verarbeitete ich in meinen beiden künstlerischen Arbeiten mit dem Fokus der Anonymisierung der Protagonist_innen. Das künstlerische Anliegen der Videoarbeit zum Beispiel basiert auf der Auseinandersetzung mit der Anonymisierung des Subjekts ohne dessen Verlust: Die Arbeit ist ein Versuch, die Anonymität der Person zu wahren und gleichzeitig einen Raum für den Ausdruck der Persönlichkeit zu schaffen, indem das Subjekt an anderer Stelle wieder eingeführt wird. Ich hoffe, durch meine Beiträge im Kunstfeld sowie auch im Feld der Sozialwissenschaften Denkprozesse und Reaktionen ausgelöst zu haben und auslösen zu können. Die Gespräche, Diskussionen und Erfahrungen, die sich aus meinen Beiträgen ergaben, können jedoch nicht losgelöst von anderen Beiträgen, die im Rahmen des Forschungsprojekts gestaltet wurden, gesehen werden. Vor allem dann, wenn eine Arbeit in einen sehr komplexen Prozess der (diskursiven) Auseinandersetzung eingebunden ist, gestaltet sich das Erfassen ihrer Wirkung als besonders schwierig. Die Wirkung selbst kann sich auf verschiedenen Ebenen abspielen, einerseits Denkprozesse und andererseits Folgehandlungen miteinschließen. Das Vermögen, einen Gedanken, der
ausgelöst wurde und zu einem anderen Zeitpunkt, womöglich in einem anderen Kontext wieder auftaucht, auf seinen Auslöser beziehen zu können, bedarf einer ausgeprägten Fähigkeit zur Selbstbeobachtung. Ähnlich verhält es sich dabei beim Erforschen von Handlungen: Wenn Denkprozesse in Handlungen übergehen, dann passiert etwas Konkretes, Erfassbares. Dieser Prozess der Übersetzung hängt überwiegend von den dabei gemachten Erfahrungen der involvierten Personen und deren Bereitschaft, etwas verändern zu wollen und aktiv zu werden ab. Darüber hinaus erfordert das Vorhaben, Handlungen und Gedanken auf einen bestimmten Auslöser beziehen zu können, ein hohes Maß an Selbstreflexion. Künstlerische Projekte mit dem Fokus auf soziale Prozesse scheinen sich gerade aufgrund ihres Prozesscharakters einer quantifizierbaren Analyse der Wirkung zu widersetzen, die Ergebnisse lassen sich nicht in aussagekräftige und somit für Sozialwissenschaften verwertbare Daten überführen. Deshalb ist bei der Erfassung der Wirkung von künstlerischen Arbeiten äußerste Vorsicht geboten, auch dann, wenn direkt Beteiligte befragt werden. Bei der Reflexion eines Forschungsprojekts blickt man mit all den dabei gemachen Erfahrungen einerseits in die Vergangenheit und andererseits schielt man bereits auf die Potentiale einer zukünftigen Kooperation. Die Zusammenarbeit und Auseinandersetzung mit einem anderen Feld erfordert viel Sensibilität und Wissen über dessen Funktions- und Wirkungsweise. Es erfordert Vertrauen, Zeit und die Bereitschaft sich zu öffnen und auszutauschen. Ich habe das Gefühl, dass die Kunst und die Sozialwissenschaften in diesem Projekt an einem Punkt angelangt sind, der es ermöglicht, Seite an Seite zu einem gemeinsamen Thema zu arbeiten und so die Außenwirkung zu erhöhen. Bei den Sozialwissenschaften und der Kunst besteht der Wunsch, mit den Beiträgen etwas zu bewirken. Der Rezipient_ innenkreis ist allerding hier wie dort sehr begrenzt. Mit Sicherheit kann er vergrößert werden, wenn Kunst und Sozialwissenschaften das gemeinsame Potenzial nutzen, wahlweise kooperieren und sich gegenseitig unterstützen. So können gesellschaftspolitische Themen aufgegriffen und die Bevölkerung auf unterschiedlichen Ebenen sensibilisiert, informiert und gezielt gesellschaftliche Veränderung herbeigeführt werden. Interessant zu erforschen ist, welche zusätzlichen neuen Kräfte bei einer Zusammenarbeit auf Kunst und Sozialwissenschaften einwirken und wie sie sich auf die Disziplinen, die weiterhin den jeweils feldinternen Kräften unterliegen, auswirken. Die Frage, wie sich Kunst und Sozialwissenschaften gegenseitig unterstützen und ermächtigen können, ist noch nicht beantwortet. Ich hoffe, dass in weiteren Kooperationen dieser Frage nachgegangen wird.
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- Veröffentlicht:
- 25. März 2013 / 12:52
- Kategorie:
- A - DAS PROJEKT |, A1. EXHIBITS
- Schlagwörter:
- Empowerment, Künstlerin, Kunst, Lisa Lampl, Projektreflexion, Wissenschaft
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